Im Forschungsprojekt „Conversion“ wird unter der Leitung von DI Dr. Georg Hauger untersucht, wie sich die Personenmobilität seit Beginn der Covid-19-Pandemie gewandelt hat. Welche langfristigen Veränderungen in Bezug auf Mobilitätsverhalten, Verkehrsnachfrage und -maßnahmen lassen sich ausmachen und welche sind zu erwarten?

MAKAM Research befragte hierzu 1.000 in Österreich lebende Personen ab 15 Jahren, um ein konkretes und repräsentatives Bild davon zu entwerfen, wie sich die Bevölkerung durch die Krise bewegt.

Ergebnisse

Der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ist in der Corona-Zeit der Verlierer, die aktive Mobilität der Gewinner

Die ÖsterreicherInnen wurden unter anderem gefragt, welches Verkehrsmittel sie seit Covid-19 seltener bzw. häufiger nutzen. Etwa die Hälfte hat ihre Mobilität gar nicht erst geändert – sprich: Es gab in diesen Fällen weder eine Zu- noch eine Abnahme im Mobilitätsverhalten.

Alles beim Alten also? Nicht ganz: Die andere Hälfte verzichtet größtenteils auf den Öffentlichen Verkehr: Über 50% geben nämlich an, den öffentlichen Transport seltener zu nutzen– das sind konkret die Schnellbahn, Bahn bzw. Straßenbahn, U-Bahn und der Bus. Nur 10% nutzen die aktive Mobilität seltener, gehen also seltener zu Fuß, fahren seltener mit dem (E-)Fahrrad oder dem (E-)Roller.

Parallel dazu hat die aktive Mobilität den größten Zuwachs: 56% jener, die eine Zunahme in einem Verkehrsmittel (und ggf. eine Reduktion in einem anderen) haben, erledigen Wege häufiger zu Fuß oder radeln öfter als vor Corona. Nur bei 8% gab es eine Zunahme in der Nutzung von Öffentlichen Verkehrsmitteln.

Die allgemeine Nutzung des motorisierten Verkehrs bleibt eher unverändert

Die Nutzung des motorisierten Verkehrs (insbesondere des Autos) bleibt dabei relativ stabil: Wer angab, ein Verkehrsmittel seltener zu nutzen, tut das in knapp 40% der Fälle beim motorisierten Individualverkehr (MIV); in 36% der Fälle wird er hingegen bei jenen häufiger genutzt, die eine Zunahme in einem Verkehrsmittel hatten (s. unten).

Kurz gefasst fahren die ÖsterreicherInnen lieber mit dem Auto, gehen zu Fuß oder nutzen das Fahrrad. Es liegt nahe, dass Corona eine Verhaltensänderung hervorruft, indem Verkehrsmittel mit Menschenmengen eher gemieden werden, weil das Ansteckungsrisiko mit der Anzahl an Personen zunimmt.

Welche Lebensbereiche sind beeinflusst?

In welchem Zusammenhang wird das jeweilige Verkehrsmittel seltener bzw. häufiger genutzt? Die öffentlichen Verkehrsmittel wurden vor dem ersten Lockdown im letzten Jahr häufig für den Arbeitsweg genutzt. Dementsprechend hoch ist u.a. wegen Home-Office und/ oder Verlust des Arbeitsplatzes der Rückgang in diesem Bereich: 42% jener, die die Öffis weniger nutzen, nutzen sie für den Arbeitsweg und sonstige Aktivitäten in der Freizeit (z.B. Freunde besuchen) seltener. Stattdessen wird hauptsächlich das Auto genutzt.

Im motorisierten Individualverkehr ist die Lage ähnlich: Einkaufswege des täglichen Bedarfs sowie der Arbeitsweg werden zu etwa gleichen Teilen (40% bzw. 38%) seltener mit dem Auto absolviert. Einkäufe des täglichen Bedarfs sind vom Lockdown ausgenommen, weshalb es zunächst verwundert, dass unter Personen, die nun seltener mit dem Auto unterwegs sind, der größte Rückgang in diesem Bereich stattfindet. Sie steigen einerseits auf aktive Mobilität (vor allem das Fahrrad) um, absolvieren die Wege aber auch generell seltener. Eine Erklärung für selteneres Einkaufen könnten wie bei den öffentlichen Verkehrsmittelns das Meiden von Menschenmengen und daraus resultierend der Umstieg auf Onlinekäufe sein. Einen spürbaren Rückgang gibt es in der aktiven Mobilität kaum – im Gegenteil.

Die aktive Mobilität erfährt unter den häufiger genutzten Verkehrsmitteln das größte Hoch; vor allem Sport und Bewegung im Freien als psychische Entspannung sowie der Einkaufsweg für den täglichen Bedarf sind beliebte Wegezwecke und werden einerseits generell häufiger, aber auch anstatt des Autos häufiger in einer aktiven Mobilitätsform absolviert. Dass das Auto durch aktive Mobilität ersetzt wird, gilt vor allem für die alltäglichen Einkäufe. Der MIV wird hauptsächlich als Ersatz für Einkaufswege genutzt, die vorher mit der Straßenbahn bzw. dem Bus, der Schnellbahn und zu Fuß genutzt wurden. Da nur 4% der Befragten den ÖPNV häufiger nutzen, ist keine verwertbare Aussage über die Wegezwecke möglich.

Vor allem das neue Freizeitverhalten verändert die persönliche Mobilität

Für drei Viertel jener ÖsterreicherInnen, die ihr Mobilitätsverhalten geändert haben, sind Umstellungen in der Freizeit der ausschlaggebendste Faktor für eine Veränderung. Fast genauso maßgeblich sind gesundheitliche bzw. hygienische Aspekte und gesetzliche Vorgaben, wie z.B. Reisebeschränkungen (jeweils 62%). Home-Office (42%), virtuelle private Treffen (36%) und Lieferangebote (36%) sind dagegen spürbar weniger ausschlaggebend für eine Anpassung der Mobilität.

Klimaschonende Maßnahmen – Der ÖPNV gehört ausgebaut…

Verbunden mit Mobilität ist auch das Thema Umwelt. Hierzu wurden öffentlich aktuell diskutierte Maßnahmen vorgelesen und von den Befragten bewertet. Fast 9 von 10 ÖsterreicherInnen sind für einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs, dicht gefolgt von Vergünstigungen für PendlerInnen (83%). Auch sollten Radwege ausgebaut (85%) sowie mehr Anreize für die Pendlerpauschale geschaffen werden (83%). Der Ausbau von Sharing-Angeboten liegt mit 64% Zustimmung im Mittelfeld, während eine CO2-Steuer eher polarisiert (42% Zustimmung).

… doch der Zeitkartenbesitz ist rückgängig

Etwa ein Drittel aller Befragten besitzt eine Zeitkarte für den öffentlichen Nahverkehr. Der Großteil von ihnen (69%) besaß und besitzt unabhängig von Covid eine. 29% haben seit Corona keine mehr. Das kann bedeuten: Analog zur Abnahme der Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, ging durch Covid auch der Anteil der ZeitkartenbesitzerInnen merklich zurück.

Sharing-Angebote führen nach wie vor ein Nischendasein

Die Zustimmung hinsichtlich eines Ausbaus von Sharing-Angeboten ist zwar mit 68% recht hoch – die Ambivalenz zwischen Wunsch und tatsächlicher Nutzung ist jedoch sehr stark ausgeprägt, egal ob (E-) PKW oder (E-)Fahrräder. 97% geben an, keine Sharing-Angebote vor Covid genutzt zu haben und 95% waren und sind kein Mitglied.

Quo vadis? Beobachtbare Trends, die (nicht) beibehalten werden

Während Trends, wie das Zurücklegen von Strecken zu Fuß oder mit dem Rad sowie der sensiblere Umgang mit dem Thema Klimaschutz (jeweils 44%[1]) auch in Zukunft beibehalten werden, werden (Fern-)Reisen am stärksten zurückgewünscht. Nur ein Fünftel würde das eingeschränkte Reisen so beibehalten, während mehr als 4 von 10 Personen wieder reisen würden wie früher.

Hinsichtlich Nachhaltigkeit der Veränderungen schätzen knapp 2 von 3, dass sie ihr Mobilitätsverhalten, das durch Corona gewissermaßen durcheinandergebracht wurde, beibehalten werden.

Methodik

Im Rahmen einer nach Bundeslandverteilung regional vorgeschichtete Zufallsstichprobe wurden 1.000 Personen telefonisch befragt. Um eine auf die in Österreich lebende Bevölkerung repräsentative Stichprobe zu generieren, wurde auf die Merkmale Alter, Geschlecht und Schulbildung gewichtet.

Der Befragungszeitraum umfasste 6 Wochen (01.07.-11.08.2021).

Für den vorliegenden Bericht wurden zum Zweck des Überblicks (und ggf. für eine höhere Aussagekraft der Ergebnisse) drei Mobilitätsgruppen gebildet:

  • Aktive Mobilität (Fahrrad, E-Bike, E-Roller)
  • Motorisierter Individualverkehr (PKW, E-PKW, Motorrad)
  • Öffentliche Verkehrsmittel (U-Bahn, Straßenbahn, Bahn bzw. Schnellbahn)

 

Das Forschungsprojekt „Conversion – Chancen für die Transformation des Mobilitätssystems“ wurde vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie im Rahmen des Programms „Mobilität der Zukunft“, 15. Ausschreibung, gefördert und wird von folgendem Konsortium durchgeführt:

Projektlead: science:talk

ProjektpartnerInnen: