Visionen und Ziele

Future Care ist von der Vision einer leistbaren, qualitativ hochwertigen, stärkenbasierten und nachhaltigen Pflege getragen, die Menschen hilft, selbstständig zu bleiben statt in Hilfesituationen auf ihre Bedürfnisse zu reagieren.

Zielsetzung ist es, das vorhandene Wissen und die Potentiale von professionellen Akteur:innen im Pflegesystem und von Laien in einem offenen, iterativen und partizipativen Innovationsprozess zu nutzen und gemeinsam mit allen Stakeholder:innen Wege zu neuen tragfähigen Ansätzen, Organisationsformen und Praktiken in der Pflege und Betreuung zu finden.

Wir Menschen mit und ohne Pflegebedarf wollen in Würde und in unseren lebensweltlichen Bezügen selbstbestimmt und selbstständig leben. Wir wollen unsere Autonomie im Raum unseres privaten und öffentlichen Lebens verankert wissen.

Diese Vorstellungen eines würdevollen, selbstständigen und selbstbestimmten Lebens, die wahrscheinlich für uns alle gelten, wollen wir im Projekt Future Care aufgreifen und im Bereich Pflege und Betreuung konkretisieren: Hilfe in Form von Pflege, Assistenz, Begleitung oder Betreuung soll unter diesen Prämissen nicht erst dann zum Einsatz kommen, wenn auf Bedürftigkeit reagiert werden muss, sondern es sollen in einer proaktiven Weise individuelle und sozialräumliche Ressourcen genutzt, vernetzt und gestärkt werden und diese mit digitalen Tools ergänzt werden, um ein selbstbestimmtes und selbstständiges Leben im jeweilig gegebenen Rahmen zu ermöglichen. Damit sollen Lebenszufriedenheit und Lebensqualität der Adressat:innen verbessert und zugleich Ressourcen des Hilfesystems sparsam, flexibel und zielgerichtet eingesetzt werden, was gleichermaßen neue Arbeitspraktiken, Organisationsformen und Finanzierungsstrukturen erforderlich macht.

Im Zentrum von Future Care steht daher eine Philosophie im Zentrum, die Menschen als (pro-)aktive, kreative und wertende Wesen mit manchmal mehr, manchmal weniger klaren Vorstellungen von einem würdevollen Leben trotz Unterstützungsbedarf begreift, die zunächst einmal in das Licht der Bewusstheit gehoben und konkretisiert werden müssen. In dieser Perspektive erfahren wir uns auch in belastenden Situationen nicht als hilfsbedürftig und ausgeliefert, sondern in unseren Fähigkeiten und Möglichkeiten.

Herausforderung und Zugang

Die Organisation und die Praxis der Pflege in Österreich stehen vor großen Herausforderungen. Der demographische Wandel führt zu einem Anstieg älterer und hochbetagter Bürger:innen. Damit wird auch der Bedarf an adäquater Pflege und Gesundheitsversorgung steigen. Mittelfristig wird wie in vielen anderen Sektoren des Arbeitsmarktes ein Mangel an Fachkräften festgestellt. Allein deswegen ist eine Neuausrichtung der Pflege und Betreuung erforderlich.

Die professionelle Pflege in Österreich ist schon lange und über den Bereich institutioneller Betreuung in stationären Settings hinaus auf mobile Pflege zuhause erweitert worden. Doch in diesen Settings sind es überwiegend (weibliche) Angehörige, die die Pflege und Versorgung – so gut sie können – sicherstellen. Oft ist es schwierig, die Versorgungskette vom Entlassungsmanagement der Krankenhäuser über mögliche Übergangspflege zur mobilen Pflege zu schließen.

Aktuelle Trends wie die umfassende Digitalisierung mittels KI, Telemedizin und (soziale) Robotik verheißen Möglichkeiten an technischen Lösungen. Die hoch differenzierten Gesundheits- und Sozialsysteme erfordern zudem Zusammenarbeit in multiprofessionellen Teams. Aber im Zentrum einer wirksamen und hochwertigen Pflege stehen immer menschliche Beziehungen, das Eingehen auf Personen, die sich nicht auf Diagnosen reduzieren lassen, die in Würde und mit hoher Lebensqualität leben (und altern) wollen. Biographie, lebensweltliche Einbettung, aber auch organisationale Settings und systemische Rahmenbedingungen stellen Bezugspunkte dar, die Pflege und Betreuung als wechselseitig bedingtes und kontextualisiertes Geschehen erfahrbar machen.

Pflegekräfte, Expert:innen, pflegebedürftige Personen und deren Angehörige haben viel Wissen darüber, was in der Praxis gebraucht wird und sie haben vor dem Hintergrund ihrer Einstellungen und Werte auch Vorstellungen von einer „guten Pflege“. Dieses Potential soll im Projekt Future Care fruchtbar gemacht werden.

Sozialraumorientierte Pflege: multiprofessionell, hybrid, mediatisiert

Vor dem Hintergrund von Begriffen wie aktivierende, vernetzte und hybride Pflege, Sozialraumorientierung sowie von Telemedizin und Technologieeinsatz sollen im Dialog und in partizipativen Prozessen gemeinsam Formen und Wege in eine künftige Pflege erfunden und gefunden werden. Future Care versteht sich als Gestaltungsraum, der das vorhandene Potential und den Reichtum an lokalen, regionalen und übergreifenden Lösungsansätzen ausloten, vernetzen und für eine künftige Pflege fruchtbar machen will.

Unser eigener Ausgangspunkt ist eine in der Sozialgerontologie gut etabliert Einsicht: Wenn Möglichkeiten geschaffen werden, dass Menschen (mit oder ohne Pflegebedarf) zuhause selbstständig und selbstbestimmt wohnen und leben und auf diese Weise mit ihrer Lebenswelt verbunden bleiben, stärkt das die Lebenszufriedenheit und damit auch die Gesundheit. Pflege und Betreuung nehmen damit Elemente einer (aktivierenden) Gesundheitsförderung auf. Sie ist nicht auf die Patient:innen als Fälle fokussiert, sondern auf in konkrete Sozialräume eingebettete Individuen. Damit ist ein Paradigmenwechsel impliziert: von einer reaktiv-versorgenden zu einer aktiv-begleitenden, von einer fallorientierten zu einer sozialraumorientierten Pflege und Betreuung.

Mit Bezug auf eine gängige Schematisierung in der Versorgungsforschung adressiert Future Care die Mikro-, die Meso- und die Makroebene im Bereich Pflege und Betreuung.

  • Auf der Mikro-Ebene geht es um Pflegepraktiken und Interaktionsstrukturen, um das Entdecken und das Verknüpfen individueller Ressourcen aller involvierten Akteur:innen und um eine Fokussierung auf das Proaktive.
  • Auf der Meso-Ebene werden funktionale und praxistaugliche Organisationsstrukturen und -prozesse thematisch, in die auch pflegende und nicht-pflegende Angehörige, Nachbarschaften und Personen mit Pflegebedarf einbezogen sind. Auf dieser Ebene sind Pflege und Betreuung Teil eines organisationalen Felds, das von spezifischen Institutionen strukturiert wird.
  • Auf der Makroebene stehen Wertorientierungen, Konzepte der „guten Pflege“ (und damit der „guten Gesellschaft“, in der wir leben wollen) im Zentrum, woraus sich Politiken und sozialstrukturelle Rahmenbedingungen ergeben. Aktivierende und auf Autonomie bedachte Pflege entlässt die Menschen nicht in eine individualisierte Eigenverantwortung, sondern es geht um eine wertgebundene Orientierung, zu der alle Akteur:innen etwas beitragen können.

Future Care arbeitet an der Vernetzung und der Integration bestehender Ansätze der zeitgenössischen Pflege und Betreuung. Es will dazu anregen, dass die vielfältigen und vielversprechenden Entwicklungen im Bereich Pflege und Betreuung in kooperative Strukturen eingebunden werden, dass nicht nur Patient:innen und Angehörigen, sondern alle anderen Akteur:innen im Feld ihre Stärken entdecken und entfalten können.

Als Sozialforschungsunternehmen mit langjähriger Erfahrung in der Forschung mit vulnerablen Gruppen sieht sich MAKAM in der Rolle eines vernetzenden und ermöglichenden Akteurs im Sinn eines Change Agents.

Ein von der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (https://www.ffg.at/) gefördertes Innovationsprojekt