DeMo: Mobilitätsbezogene Bedarfslagen von Demenzerkrankten, Betreuenden und Angehörigen – Zielsetzung und ausgewählte Ergebnisse

Ziel der „DeMo“-Studie war die Schaffung einer – für künftige Maßnahmensetzungen zur Verfügung stehenden – Wissensgrundlage zu mobilitätsbezogenen Bedarfslagen und zu mobilitätseinschränkenden Faktoren von Demenzerkrankten sowie zu Barrierehemmern für die Reaktivierung der aktiven Mobilität (z. B. technologische Hilfsmittel). Mobilitätsverhalten, Bedürfnisse und Hemmnisse von Demenzerkrankten wurden aus der Perspektive von ExpertInnen, Angehörigen/Betreuenden und Demenzerkrankten erhoben. Die Erkenntnisse wurden in einem Handbuch zusammengefasst und Empfehlungen für technologiegestützte Innovationen im Bereich Mobilitäts- und Sozialforschung sowie weiterführende Forschungsfragen zur Integration von Menschen mit Demenz in bestehende Verkehrssysteme entwickelt.

Zielsetzung ist eine möglichst lange Aufrechterhaltung der Eigenständigkeit
In Hinblick auf den demografischen Wandel wird dem Ziel der Bewahrung einer möglichst langen eigenständigen Versorgung und einer möglichst eigenständigen Mobilität von Demenzerkrankten künftig große Bedeutung zukommen. Demenz wird als progrediente chronische Krankheit verstanden, die als unheilbar gilt und die durch den stufenweisen Verlust wichtiger Rollenkompetenzen im Alltag gekennzeichnet ist. Dennoch ist die Teilnahme am sozialen Leben möglich, wenn bei adäquater Unterstützung Fähigkeiten möglichst lange erhalten werden und geeignete Rahmenbedingungen für die Teilnahme am Straßenverkehr – v. a. als NutzerIn öffentlicher Verkehrsmittel und/oder FußgängerIn – geschaffen werden.

Stressreduktion durch Herabsetzung situativer Anforderungen
Aus dem stresstheoretischen Ansatz der Medizinsoziologie entnehmen wir die Einsicht, dass Situationen und Ereignisse, die Druck und Überforderung hervorrufen, zu innerlichem und äußerlichem Rückzug führen. Gemäß der Stigmatheorie meinen wir, dass Krankheit und Normalität im Alltag Gegenstand von Ausverhandlungsprozessen bzw. von Zuschreibungen sind: Abbauprozesse und das Absprechen von Fähigkeiten stehen also in einem dynamischen Verhältnis. Aus der Stress-Perspektive ist es daher wichtig, dass situative Anforderungen an eine Person, die räumliche, zeitliche und informative Elemente betreffen, möglichst herabgesetzt werden: Entschleunigung, räumliche Übersichtlichkeit und Zugänglichkeit sowie stärker emotionsbasierte als kognitiv und rational basierte Formen von Information und Kommunikation müssen gestärkt werden. Beide Perspektiven lassen sich mit Blick auf Raum, Zeit und Information an drei Problemen veranschaulichen:
(1) Wegfindungsproblem: Für Demenzerkrankte können Wegfindungsprobleme nicht nur in unbekannten, sondern auch in bekannten Gebieten auftreten. Beispielsweise kann der/die Betroffene vergessen, wohin er/sie gehen will, wie er/sie ein bestimmtes Ziel erreicht bzw. wie er/sie vom aktuellen Standort wieder nach Hause kommt. (2) Zeitbedingtes Fehleinschätzen: Sowohl das Verlassen einer ÖV-Haltestelle gleich nach dem Eintreffen aufgrund des fehlenden Zeitbezugs betreffend der eigenen Wartezeit als auch das Aufsuchen der „richtigen“ Haltestelle zur „falschen“ Uhrzeit (z. B. um 3 Uhr morgens) aufgrund von zeitlicher Desorientierung können bei Demenzerkrankten Barrieren in der täglichen Mobilität darstellen. (3) Vergessen von (in)formellen Verhaltensregeln: Einst vertraute (in)formelle Verhaltensregeln im Straßengeschehen (z. B. „erst aussteigen, dann einsteigen“ in öffentlichen Verkehrsmitteln oder „rechts stehen, links gehen“ auf Rolltreppen etc.) können bei Demenzerkrankten kurz- bzw. langfristig in Vergessenheit geraten, weshalb ihr Verhalten von anderen VerkehrsteilnehmerInnen als störend oder problematisch empfunden werden kann.

Einige Maßnahmen zur Unterstützung von Demenzerkrankten und ihrer Angehörigen
Im Rahmen der Studie erfolgte die Ableitung von Handlungsempfehlungen, die von ExpertInnen nach ihrer Wichtigkeit und Dringlichkeit bewertet wurden. Im Folgenden werden all jene Handlungsempfehlungen aufgezeigt, die als sehr wichtig und gleichzeitig sehr dringlich eingeschätzt wurden:

  • Bekanntmachen der Wichtigkeit einer Ausbildung für Angehörige und BetreuerInnen von Demenzerkrankten aufgrund des Bestehens verschiedener Demenzformen und unterschiedlicher Krankheitsverläufe
  • Aufrechterhalten der Selbstständigkeit und Stärken des Selbstwertes von Menschen mit Demenz, indem auf ihre individuellen Ressourcen geachtet wird
  • Zur-Verfügung-Stellen von Validationstools für Angehörige
  • Förderung der Mobilität von Demenzerkrankten von Beginn ihrer Erkrankung an durch aktivierende Programme, Bewegungsgruppen oder auch Gymnastik
  • Förderung der Entwicklung passiver Hilfsmittel, die in akuten Notsituationen Unterstützung für Demenzerkrankte bieten (z. B. Notrufsysteme)


DeMo-Endbericht

Sämtliche Inhalte und Ergebnisse aus der „DeMo“-Studie werden in der IVS-Schriftenreihe publiziert und werden auch online ab Ende Dezember unter http://shop.tuverlag.at/ und auf https://makam.at verfügbar sein.

Das Projekt wurde unter der Leitung von Prof. Georg Hauger vom Fachbereich Verkehrssystemplanung der Technischen Universität Wien, gemeinsam mit MAKAM Research, dem Soziologen Dr. Schlembach und dem Landespflegeheim Wr. Neustadt umgesetzt und vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie im Rahmen der Programmlinie Mobilität der Zukunft der FFG finanziell gefördert.

Fachbereich Verkehrssystemplanung der Technischen Universität Wien
a.o. Univ.-Prof. Dr. DI Georg Hauger
Tel.: 01 / 58801-280513
bzw. 0664 / 424 7288
E-Mail: georg.hauger@tuwien.ac.at
http://info.tuwien.ac.at/ivs/