PHOBILITY – Ergebnisse der Sondierungsstudie über die Verkehrsteilnahme von Menschen mit Phobien, Angst- und Zwangsstörungen

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Die Sondierungsstudie PHOBILITY beschäftigt sich zum ersten Mal in Österreich mit den Schwierigkeiten bei der Verkehrsteilnahme von Menschen, die an Phobien, Angst- und/oder Zwangsstörungen leiden. Es wurden die physischen, psychischen und sozialen Barrieren für eine geforderte gleichberechtigte Mobilität mittels qualitativer Erhebungsmethoden erforscht.

Die Studie lenkt den Blick auf die Interaktionsprobleme im öffentlichen Raum, was auch die Verkehrsteilnahme umfasst. Zunächst konnten zwei Grundprobleme identifiziert werden: (1) der Verlust der Fähigkeit, Situationen als ungefährlich wahrzunehmen und begrenzte Irritationen als harmlos einzustufen, (2) der Verlust der Fähigkeit, Ansprüche auf Raum einzufordern (z. B. Durchgelassenwerden, um zu einem Sitzplatz oder zum Ausstieg zu kommen) bzw. die eigenen körperlichen Grenzen ständig als bedroht wahrzunehmen.

Auf Basis dieser Grundstruktur konnte eine Reihe konkreter Mobilitätsbarrieren identifiziert werden, die in vielen Fällen zusammenwirken:

Das betrifft die öffentlichen Verkehrsmittel selbst, die nicht immer eine uneingeschränkte und barrierefreie Benützung ermöglichen, da einem akuten Ausstiegsbedürfnis oftmals nicht sofort nachgegangen werden kann und keine Rückzugsmöglichkeiten vorhanden sind. Auch Ausstattungselemente in öffentlichen Verkehrsmitteln, wie z. B. eine geringe Anzahl an Einzelsitzplätzen oder automatisch schließbare Fahrzeugtüren, können ein Gefühl von Unbehagen und Flucht- oder Vermeidungsbedürfnis bei den Betroffenen auslösen.

Hinsichtlich der Verkehrsinfrastruktur finden sich ähnliche Barrieren: Beengende und dunkle Gänge/Räume ohne Fluchtmöglichkeit, die die Orientierung erschweren, oder fehlende Rückzugsmöglichkeiten in Stationen können dazu beitragen, dass Personen mit Phobien, Angst- und/oder Zwangsstörungen bestimmte Verkehrsmittel, Wege oder Bereiche der Verkehrsinfrastruktur (z. B. Aufzüge) nicht in Anspruch nehmen.

Die Präsenz anderer Fahrgäste kann bei Betroffenen in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Stationen Angst auslösen, weil sie entweder die Flucht erschweren oder weil sich die Betroffenen fremden Blicken ausgeliefert fühlen. Daher werden von den Betroffenen Hauptverkehrszeiten wenn möglich gemieden, damit sie den oft stark überfüllten Verkehrsmitteln ausweichen.

Menschen mit Phobien, Angst- und/oder Zwangsstörungen haben ein hohes Informations- und Planungsbedürfnis. Sie planen ihre Routen in der Regel sehr ausführlich vor Antritt ihrer Wege, unvorhergesehene Ereignisse, wie beispielsweise Routenänderungen bei Baustellen oder Fahrplanänderungen, können Angstzustände begünstigen. So kann auch ein Mangel an Informationen, wie schlecht lesbare oder schwer verständliche Fahrpläne, Beschilderungen oder sonstige Orientierungshilfen dazu führen, dass die betroffene Person glaubt, die Situation nicht kontrollieren zu können. Verstärkt wird diese Situation dadurch, dass sich Betroffene oft nicht trauen, Fremde anzusprechen und offizielle Ansprechpersonen meist nicht verfügbar sind.

Ein weiteres Element potenzieller Mobilitätsbarrieren können Krankheitssymptome, wie z. B. Harndrang, Unsicherheit oder Aufmerksamkeitsstörungen sein.

Für die Zielgruppe sollten also Wege gefunden und Mechanismen formuliert werden, um sie dabei zu unterstützen, am sozialen Leben (wieder) – und somit auch am Verkehr – teilnehmen zu können. Eine grundlegende Bedingung für adäquate Verkehrsteilnahme ist, dass Ängste, die im Zusammenhang mit der Verkehrsteilnahme auftreten können, für die Betroffenen hinreichend kontrollierbar sind. Als wichtige und umsetzbare Lösungsansätze erachten die Betroffenen sowie Gesundheits- und VerkehrsexpertInnen neben Sensibilisierungsmaßnahmen in der Bevölkerung zur Entstigmatisierung der Betroffenen verschiedenste Selbstablenkungs-, Selbstberuhigungs- und Selbstmanipulationstools sowie Planungs- und Fahrtinformationen. Wesentlich ist nun, dass die im Rahmen von PHOBILITY erarbeiteten Lösungsstrategien gebündelt und leicht umsetzbar gemacht werden, da sich viele der Betroffenen aufgrund ihrer Angsterkrankung teils völlig aus dem gesellschaftlichen Leben zurückziehen oder von öffentlichen Verkehrsmitteln auf den privaten Pkw oder auf das Fahrrad umsteigen.

Das Projekt wurde unter der Leitung von MAKAM Research GmbH gemeinsam mit dem Fachbereich Verkehrssystemplanung der Technischen Universität Wien und der Psychosoziale Zentren Gesellschaft mbH umgesetzt und vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie im Rahmen der Programmlinie Mobilität der Zukunft der FFG finanziell gefördert.